§ 11 Allgemeine Bestimmungen über die Einrichtung interner Hinweisgebersysteme

(1) Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Bediensteten sowie Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors in den in § 3 Abs. 2 genannten Bereichen sind verpflichtet, die Hinweisgebung intern den in § 2 Abs. 1 Z 1 genannten Personen zu ermöglichen. Das interne Hinweisgebersystem ist in einer Weise einzurichten, die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber dazu anregt, Hinweise der internen Stelle gegenüber einer externen Stelle bevorzugt zu geben. Die Hinweisgebersysteme müssen technisch und organisatorisch gemäß Art. 25 der DSGVO geeignet sein.

(2) In Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit wechselnder, insbesondere mit saisonal schwankender Anzahl der Beschäftigten ist die Mindestanzahl gemäß Abs. 1 aufgrund der durchschnittlichen Anzahl der Beschäftigten während des vorangegangenen Kalenderjahres zu ermitteln.

(3) Für Hinweise innerhalb von Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors im Sinne des Abs. 1 müssen die zuständigen Stellen, Kommunikationswege und –mittel und Verfahren so eingerichtet sein, dass sie zumindest den Anforderungen des § 13 entsprechen. In Fällen, in denen ein Hinweisgebersystem bereits eingerichtet ist oder nach anderen Rechtsvorschriften noch einzurichten ist, ist auf die Bestimmungen des § 4 Bedacht zu nehmen.

Erläuterungen des Ministerialsentwurfs

Zu §§ 11 und 12 HSchG:

Ein wesentlicher Inhalt der neuen Bestimmungen der Richtlinie und im Entwurf zum Whistleblowing besteht in seiner institutionellen Verankerung. Aufgrund des Art. 8 Abs. 3 und 9 der Richtlinie sind zumindest juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts mit 50 und mehr Beschäftigten verpflichtet, innerhalb ihrer Organisation Meldekanäle („interne Stellen“ iSd § 5 Z 5 HSchG) einzurichten, denen bestimmte Aufgaben zugewiesen und denen in qualitativer Hinsicht in Grundzügen Beschaffenheit und Arbeitsweise vorgegeben wird.

Aus den im Entwurf vorgeschlagenen Bestimmungen resultiert – für Wirtschaftseinheiten der Privatwirtschaft in möglichst enger Anlehnung an die Mindestvorschriften der Richtlinie –

–       dass juristische Personen des Privatrechts, rechtsfähige Personengesellschaften sowie auf Bundesebene bestehende juristische Personen im Bereich der Hoheits- und der Privatwirtschaftsverwaltung,

–       für die jeweils von ihrem Tätigkeitsfeld her die Möglichkeit besteht, dass sie von Hinweisen auf den Gebieten des § 3 Abs. 1 bis 4 betroffen sein können, und zwar

–       juristische Personen des Privatrechts, rechtsfähige Personengesellschaften mit mindestens 50, aber weniger als 250 Beschäftigten spätestens ab 18. Dezember 2023 und

–       juristische Personen des Privatrechts, rechtsfähige Personengesellschaften mit mindestens 250 Beschäftigten spätestens sechs Monate nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes sowie

–       auf Bundesebene bestehende juristische Personen im Bereich der Hoheits- und der Privatwirtschaftsverwaltung spätestens sechs Monate nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes,

–       organisationsinterne Meldekanäle für mögliche Hinweise einrichten müssen.

Zur Berechnung der Zahl der Beschäftigten in Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit wechselnder Belegschaftsstärke (z. B. in Saisonbetrieben) enthält § 11 Abs. 2 eine Regelung, die in der Vergangenheit in verschiedenen landarbeitsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kam (vgl. z. B. § 75a Abs. 2a der früheren Niederösterreichischen Landarbeitsordnung).

§ 11 Abs. 1 geht vom Grundgedanken aus, dass es durchaus im Interesse der Organisationen selbst liegt, die internen Stellen so attraktiv zu gestalten, dass sich Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber in erster Linie an die interne Stelle wenden und nicht an einen externen Meldekanal: Erstens bringt es für die Organisation Vorteile, wenn ihr die Möglichkeit belassen bleibt, sich um rechtskonforme Vorgänge selbst zu bemühen. Zweitens sind interne Hinweise oft gerade Anzeichen einer Verbundenheit mit dem Funktionieren der Organisation insgesamt und der Bereitschaft, diese konstruktiv mitzugestalten. Und drittens können Hinweise auf Rechtsverletzungen eine negative Bekanntheit der Organisation in der Öffentlichkeit zur Folge haben, wenn sie unmittelbar einer externen Stelle gegeben werden.

Mit den Bestimmungen der §§ 11 Abs. 2 und 12 stellt der Entwurf in enger Umsetzung der Richtlinie vor allem die folgenden Anforderungen an die internen Meldekanäle:

–       Die verwendbare Technik und das zu verwendende Mittel der Kommunikation mit potenziellen Hinweisgebern und Hinweisgeberinnen ist nicht konkret vorgegeben, jedoch müssen die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt werden können, und die Hinweisgebersysteme müssen technisch und organisatorisch gemäß Art. 25 der DSGVO geeignet sein.

–       Hinweise müssen der internen Stelle schriftlich oder mündlich oder in beiden Formen gegeben werden können. Wenn es eine Hinweisgeberin oder ein Hinweisgeber wünscht, muss spätestens innerhalb von 14 Kalendertagen eine mündliche Besprechung des Hinweises möglich sein.

–       Die internen Meldekanäle müssen über angemessene personelle und finanzielle Ressourcen verfügen.

–       Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der internen Stelle dürfen bei der Entgegennahme und Weiterverfolgung von Hinweisen nicht Weisungen unterworfen werden. Sie müssen die Möglichkeit haben, unparteilich und unvoreingenommen vorzugehen.

–       Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der internen Stelle muss es möglich sein, Hinweise auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und entsprechende Veranlassungen zu treffen, wenn sich ein Hinweis als zutreffend erweist.

–       Die internen Stellen müssen in der Lage sein, der Hinweisgeberin oder dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung zu geben.

In § 11 Abs. 4 wird vorgeschlagen, die interne Hinweisgebung im Bereich der Hoheitsverwaltung (Organisationseinheiten des Bundesdienstes einschließlich nachgeordneter Dienststellen) grundsätzlich bei einer einzigen gemeinsamen internen Stelle einzurichten. Diese für die interne Hinweisgebung zentrierte Stelle ist dem Entwurf zufolge die Bundesdisziplinarbehörde. Die institutionelle Vorkehrung dazu macht von der in Art. 8 Abs. 9, dritter Unterabsatz der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

Für das Bundesministerium für Landesverteidigung und für das Bundesministerium für Justiz hingegen wird vor allem aus Gründen der Informationssicherheit die Sonderregelung vorgeschlagen, dass diese jeweils gemeinsame interne Stelle für alle Hinweise sind, die in den jeweiligen Wirkungsbereich dieser Bundesministerien nach dem Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. Nr. 76/1986, fallen oder die sich jeweils auf eine diesen Bundesministerien zuzuordnende Organisationseinheit beziehen.