§ 8 Datenschutz

(1) Die Verarbeitung der in Hinweisen enthaltenen personenbezogenen Daten ist für die Zwecke dieses Bundesgesetzes (§ 1 und Abs. 2 Z 1) zulässig. Die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten nach diesem Bundesgesetz umfasst die mit einem Hinweis in Zusammenhang stehende Verarbeitung personenbezogener Daten der

           1. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber (§ 2 Abs. 1, 2 und 4),

           2. von der Hinweisgebung betroffenen Personen,

           3. Personen gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie

           4. von Folgemaßnahmen betroffenen oder in Folgemaßnahmen involvierten Personen.

Dabei sind den Abs. 2 bis 12 entsprechend die DSGVO und von Organisationseinheiten des Bundes (insbesondere Dienststellen und Zentralstellen einschließlich nachgeordneter Dienststellen im Sinne des § 278 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 – BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979), soweit sie diesen Bestimmungen unterliegen, die Bestimmungen des dritten Hauptstückes des Datenschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 165/1999 – DSG, mit Ausnahme der §§ 38, 39, 41 bis 45, 47, 50, 52, 53 und 56 DSG einzuhalten.

(2) Die Verarbeitung muss

           1. im öffentlichen Interesse liegen, Rechtsverletzungen zu verhindern oder zu ahnden und zu diesem Zweck Hinweise zu geben und ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und

           2. auf Daten eingeschränkt werden, die zur Feststellung und Ahndung einer Rechtsverletzung benötigt werden.

(3) Zu den in Abs. 1 genannten Zwecken sind zur Verarbeitung von Daten ermächtigt:

           1. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber hinsichtlich der Daten, die für ihren Hinweis benötigt werden,

           2. interne und externe Stellen hinsichtlich der Daten, die ihnen eine Hinweisgeberin oder ein Hinweisgeber übermittelt,

           3. Behörden zur Verarbeitung von Daten, die infolge eines Hinweises an sie übermittelt wurden, insoweit die Daten für weitere Ermittlungen oder die Einleitung eines Verfahrens benötigt werden.

(4) Für die Datenverarbeitung Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 7 der DSGVO sind, soweit bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt ist:

           1. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber hinsichtlich personenbezogener Daten, von denen sie wissen, dass sie über das zur Weiterverfolgung des Hinweises Erforderliche hinausgehen,

           2. der Rechtsträger, dem die interne Stelle angehört,

           3. der Rechtsträger, dem die externe Stelle angehört, und

           4. die Behörden, die infolge eines Hinweises an sie übermittelte Daten verarbeiten.

Soweit Verantwortliche zusammen ein Hinweisgebersystem betreiben, sind sie gemeinsam Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 7 in Verbindung mit Art. 26 DSGVO. Die Verpflichtungen des oder der Verantwortlichen zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern nach diesem Bundesgesetz gelten auch für Auftragsverarbeiter und -verarbeiterinnen.

(5) Die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist zulässig, wenn

           1. die Verarbeitung zur Erreichung der in § 1 und Abs. 2 Z 1 genannten Zwecke unbedingt erforderlich ist und

           2. das öffentliche Interesse an der Verarbeitung zur Erreichung der in § 1 und Abs. 2 Z 1 genannten Zwecke erheblich ist und

           3. wirksame Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen getroffen werden.

(6) Die Ermächtigung nach Abs. 3 bezieht sich auch auf personenbezogene Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen gemäß Art. 10 DSGVO. Die Verarbeitung solcher Daten darf nur im Fall unbedingter Erforderlichkeit erfolgen und ist schriftlich zu dokumentieren. Personenbezogene Daten gemäß Art. 10 DSGVO dürfen nach Rechtskraft der Entscheidung über die Straftat in einem Verfahren, in dem diese Daten verarbeitet wurden, nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß verfügbar gehalten werden und sind möglichst ohne Aufbereitung zu speichern.

(7) Den Voraussetzungen der Abs. 2 bis 6 entsprechend dürfen interne Stellen des öffentlichen Sektors im Sinne des § 12 und externe Stellen Hinweise und personenbezogene Daten einschließlich Namen, Geschlecht, frühere Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnanschrift, Namen der Eltern und Aliasdaten sowie ein Lichtbild eines Menschen einer Behörde oder Stelle entsprechend § 17 Abs. 4 Z 1 zur weiteren Ermittlung oder Einleitung eines Verfahrens übermitteln.

(8) Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors im Sinne des § 11 Abs. 1, die für die internen Stellen des öffentlichen Sektors im Sinne des § 12 jeweils zuständigen Organe, mit den Aufgaben der internen Stelle beauftragte Stellen sowie der oder die jeweils für die Einrichtung der externen Stellen (§ 15) zuständige Bundesminister oder Bundesministerin sind ermächtigt, Hinweisgebersysteme nach diesem Bundesgesetz einzurichten. Sie sind für die Einrichtung der Hinweisgebersysteme Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 7 der DSGVO.

(9) Solange und insoweit dies zum Schutz der Identität einer Hinweisgeberin oder eines Hinweisgebers, einer Person gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 oder 2 oder gemäß Abs. 1 Z 4 und zur Erreichung der in § 1 und Abs. 2 Z 1 genannten Zwecke, insbesondere um Versuche der Verhinderung, Unterlaufung oder Verschleppung von Hinweisen oder von Folgemaßnahmen aufgrund von Hinweisen zu unterbinden, erforderlich ist, insbesondere für die Dauer der Durchführung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO, finden die in den Z 1 bis 7 aufgezählten Rechte einer von einem Hinweis betroffenen natürlichen Person und die in den Z 1 bis 5 und 7 im DSG enthaltenen Rechte einer von einem Hinweis betroffenen juristischen Person keine Anwendung:

           1. Recht auf Information (§ 43 DSG, Art. 13 und 14 DSGVO),

           2. Recht auf Auskunft (§ 1 Abs. 3 Z 1 und § 44 DSG, Art. 15 DSGVO),

           3. Recht auf Berichtigung (§ 1 Abs. 3 Z 2 und § 45 DSG, Art. 16 DSGVO),

           4. Recht auf Löschung (§ 1 Abs. 3 Z 2 und § 45 DSG, Art. 17 DSGVO),

           5. Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (§ 45 DSG, Art. 18 DSGVO),

           6. Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) sowie

           7. Recht auf Benachrichtigung von einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten (§ 56 DSG und Art. 34 DSGVO).

Unter den im ersten Satzteil des ersten Satzes angeführten Voraussetzungen haben interne und externe Stellen und Behörden gegenüber einer von einem Hinweis betroffenen Person Information und Auskunftserteilung zum Hinweis zu unterlassen.

(10) Personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung eines Hinweises nicht benötigt werden, dürfen nicht erhoben werden bzw. sind unverzüglich zu löschen, falls sie unbeabsichtigt erhoben wurden.

(11) Personenbezogene Daten sind von einer oder einem Verantwortlichen ab ihrer letztmaligen Verarbeitung oder Übermittlung fünf Jahre und darüber hinaus so lange aufzubewahren, als es zur Durchführung bereits eingeleiteter verwaltungsbehördlicher oder gerichtlicher Verfahren oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO erforderlich ist. Nach Entfall der Aufbewahrungspflicht sind personenbezogene Daten zu löschen.

(12) Tatsächlich durchgeführte Verarbeitungsvorgänge, wie insbesondere Änderungen, Abfragen und Übermittlungen sind zu protokollieren. Protokolldaten über diese Vorgänge sind von einer oder einem Verantwortlichen ab ihrer letztmaligen Verarbeitung oder Übermittlung bis drei Jahre nach Entfall der Aufbewahrungspflicht gemäß Abs. 11 aufzubewahren. (13) Die auf Grundlage der Abs. 1 bis 12 vorzunehmenden Datenverarbeitungen beruhen auf einer Rechtsgrundlage des Unionsrechts (§ 26) und sind bereits Gegenstand einer allgemeinen Datenschutz-Folgenabschätzung. Sie erfüllen daher die Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 10 DSGVO für den Entfall der Datenschutz-Folgenabschätzung.

Erläuterungen des Ministerialsentwurfs: siehe Erläuterungen zu § 7 HSchG

§ 7 Vertraulichkeit, Verschwiegenheitspflicht und Schutz der Identität

(1) Die Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern ist durch die internen und externen sowie mit den Aufgaben der internen Stelle beauftragten Stellen zu schützen. Dies gilt auch für alle anderen Informationen, aus denen die Identität von Hinweisgeberinnen oder Hinweisgebern direkt oder indirekt abgeleitet werden kann.

(2) Wird der Inhalt eines Hinweises anderen als den zuständigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern einer internen oder externen Stelle bekannt, insbesondere weil der Hinweis nicht unmittelbar in der zuständigen Stelle eingelangt ist, ist diesen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern, abgesehen von der Weiterleitung an die zuständige Stelle, die Bekanntgabe des Inhalts des Hinweises oder der Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers untersagt.

(3) Abweichend von Abs. 1 dürfen die Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern und die in Abs. 1 letzter Satz genannten Informationen nur dann offengelegt werden, wenn eine Verwaltungsbehörde, ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft dies im Rahmen des verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO für unerlässlich und im Hinblick auf eine Gefährdung der Person der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe für verhältnismäßig hält.

(4) Sollen gemäß Abs. 3 die Identität oder Informationen offengelegt werden, muss die Behörde vor der Offenlegung die Hinweisgeberin oder den Hinweisgeber von diesem Vorhaben unterrichten, es sei denn, die Unterrichtung würde das verwaltungsbehördliche oder gerichtliche oder das Ermittlungsverfahren nach der StPO gefährden. Die Gründe für die Offenlegung sind schriftlich darzulegen.

(5) Die Abs. 1 bis 2 gelten auch für jede von einem Hinweis betroffene Person. Die Offenlegung der Identität einer von einem Hinweis betroffenen Person oder sonstiger Informationen, aus denen die Identität dieser Person direkt oder indirekt abgeleitet werden kann, ist dann zulässig, wenn eine Verwaltungsbehörde, ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft dies im Rahmen des verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO für unerlässlich und im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe für verhältnismäßig hält.

(6) Personen, denen Hinweise mit klassifizierten Informationen zugehen, sind zur Verschwiegenheit über diese Informationen verpflichtet. Die in besonderen Rechtsvorschriften festgelegten Standards zum Schutz klassifizierter Informationen sind einzuhalten. Eine Weiterleitung klassifizierter Informationen ist nur zum Zweck einer anders nicht zu erreichenden Weiterverfolgung des Hinweises und nur an Stellen und Behörden zulässig, die zur Einhaltung der Schutzstandards qualifiziert sind.

(7) Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, interne und externe Stellen sowie Behörden dürfen Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aufgrund eines Hinweises bekannt werden, nur für die Zwecke dieses Bundesgesetzes (§ 1 und § 8 Abs. 2 Z 1) und nur im dafür erforderlichen Ausmaß benutzen oder offenlegen.

Erläuterungen des Ministerialsentwurfs

Zu den §§ 7 und 8 HSchG:

Wesentlicher Inhalt rechtlicher Grundlagen der Hinweisgebung sind der Schutz der Identität der an der Hinweisgebung beteiligten oder von ihm betroffenen Personen und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten.

Zunächst ist die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern während der Abgabe eines Hinweises und seiner Überprüfung eine wesentliche Vorsorgemaßnahme gegen Vergeltungsmaßnahmen. Andererseits ist die Identität von einem Hinweis betroffener Personen unter dem Gesichtspunkt zu schützen, dass sich Hinweise als falsch herausstellen können. Über den Kreis der unmittelbar mit einem Hinweis befassten Personen hinaus sollte die Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern oder betroffener Personen nur dann offen gelegt werden können, wenn dies im Rahmen behördlicher Untersuchungen, im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe und im Hinblick auf eine Gefährdung der Person der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers verhältnismäßig ist.

Für die im Regelungszusammenhang essenzielle Verarbeitung personenbezogener Daten muss entsprechend Art. 5 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, zuletzt berichtigt durch ABl. Nr. L 74 vom 04.03.2021 S. 35 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) eine ausreichende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Die gesetzliche Grundlage muss auf das Spannungsverhältnis zwischen einerseits der Gefahr eingehen, die für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und eine wirksame Verfolgung ihres Hinweises bei einer Bekanntgabe ihrer Daten entstünde, und andererseits den datenschutzrechtlichen Ansprüchen der von einem Hinweis betroffenen Person Rechnung tragen (Recht auf Geheimhaltung der personenbezogenen Daten, Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, auf Datenübertragbarkeit und Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO).

Zum Zweck der Ermittlung und Verfolgung der in einem Hinweis vorgeworfenen Rechtsverletzung und des Hinweisgeberschutzes ist es unumgänglich, die datenschutzrechtlichen Ansprüche der von einem Hinweis betroffenen Person im Einklang mit Art. 23 DSGVO einzuschränken.

Dem Entwurf ist eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO beigegeben. In Entsprechung zu Abs. 10 des Art. 35 DSGVO wird festgestellt, dass für einzelne Verarbeitungstätigkeiten aufgrund des HSchG von einer eigenen konkreten Datenschutz-Folgenabschätzung abgesehen werden kann.

§ 7 Abs. 6 stellt für den Fall, dass durch einen Hinweis klassifizierte Informationen offengelegt werden, klar, dass die in Vorschriften wie dem Informationssicherheitsgesetz, der Informationssicherheitsverordnung oder dem Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 enthaltenen Standards zum Schutz klassifizierter Informationen eingehalten werden müssen.

Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie entsprechend sieht § 7 Abs. 7 vor, dass Geschäftsgeheimnisse nur im für das Aufgreifen des Hinweises erforderlichen Ausmaß ausgewertet oder preisgegeben werden dürfen. Ist es beispielsweise erforderlich, dem Hinweis einen ein Geschäftsgeheimnis beinhaltenden Vertrag beizugeben, dürfen nur die Seiten des Vertrags abgelichtet werden, die für die Überprüfung des Hinweises gebraucht werden.

§ 6 Schutzwürdigkeit von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern

(1) Der Schutz für die Hinweisgebung nach diesem Bundesgesetz umfasst Hinweise an interne und externe Stellen. Hinweise an Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Europäischen Union gelten hinsichtlich dieses Schutzes als Hinweise an externe Stellen. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind zur Inanspruchnahme der Verfahren und des Schutzes für die Hinweisgebung ab der Abgabe des Hinweises an eine interne oder externe Stelle berechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt des Hinweises auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihnen verfügbaren Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können, dass die von ihnen gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes fallen.

(2) Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, die zum Zweck eines nach Abs. 1 berechtigten Hinweises eine klassifizierte Information weitergeben oder auswerten, sind zur Inanspruchnahme der Verfahren und des Schutzes nach diesem Bundesgesetz berechtigt, wenn

           1. der Hinweis ohne die Weitergabe oder Auswertung der klassifizierten Information nicht zielführend weiterverfolgt werden könnte,

           2. die Weitergabe unter Einhaltung der Standards zum Schutz klassifizierter Informationen, insbesondere des § 7 der Informationssicherheitsverordnung, BGBl. II Nr. 548/2003 in der Fassung des BGBl II Nr. 268/2022, erfolgt und

           3. die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber davon ausgehen konnte, dass die den Hinweis entgegennehmende interne oder externe Stelle zur Einhaltung der Standards zum Schutz klassifizierter Informationen qualifiziert ist, insbesondere bei Weitergabe an eine interne Stelle im Sinne des § 12 oder an eine externe Stelle.

(3) Anonyme Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber haben Anspruch auf Schutz nach den Bestimmungen des 4. Hauptstücks, wenn als Folge ihres anonym gegebenen Hinweises ihre Identität ohne ihr Zutun anderen bekannt wird und die Hinweisgebung Abs. 1 entspricht.

(4) Hinweise, die offenkundig falsch gegeben werden, sind von den Stellen, die sie erhalten, jederzeit mit der Nachricht an die Hinweisgeberin oder den Hinweisgeber zurückzuweisen, dass derartige Hinweise Schadenersatzansprüche begründen und gegebenenfalls gerichtlich oder als Verwaltungsübertretungen (§ 24 Z 4) verfolgt werden können.

Erläuterungen des Ministrialentwurfs

Zu § 6 HSchG:

Im Entwurf sind in § 6 die Voraussetzungen dafür geregelt, dass eine Hinweisgeberin oder ein Hinweisgeber sich auf die institutionellen Vorkehrungen und den spezifischen Rechtsschutz nach dem HSchG berufen können.

Abs. 1 enthält dazu einen Rahmen objektiver und subjektiver Sachverhaltsmerkmale. Mit der aus Art. 6 Abs. 1 lit. a), Art. 15 Abs. 1 lit. b) und Art. 21 Abs. 7 der Richtlinie entnommenen Wortfolge „auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihnen verfügbaren Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können“ besteht der Rahmen der Schutzwürdigkeit von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern aus folgenden Elementen, die sämtlich vorhanden sein müssen:

–       Der Hinweisgeberin oder dem Hinweisgeber liegt eine Information vor, die nach allgemeiner Erfahrung Richtigkeit für sich beanspruchen kann.

–       Die Information stellt einen Sachverhalt fest, der als solcher, wenn er tatsächlich vorliegt, nach allgemeiner Erfahrung und mit durchschnittlichem Allgemeinwissen, das juristische Kenntnisse nicht notwendig einschließt, den Verdacht einer Rechtsverletzung nahelegt.

–       Die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber ist subjektiv von der Richtigkeit der Information und der Verwirklichung des Sachverhalts überzeugt.

–       Die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber kann bei ungefährer Kenntnis der Vorschriften des HSchG annehmen, dass sie oder er zu den Personen gehört, die in den persönlichen Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 und 2 fallen und dass die vermutete Rechtsverletzung in einen der Rechtsbereiche des § 3 Abs. 3 HSchG fällt.

Nach § 6 Abs. 1 ist daher der Maßstab an die Sorgfalt, die eine Hinweisgeberin oder ein Hinweisgeber anzuwenden hat, um den Schutz des HSchG in Anspruch nehmen zu können, sowohl an die Annahme von Tatsachen als auch an die Prüfung anzulegen, ob der Hinweis unter das HSchG fällt. Bei der letztgenannten rechtlichen Einschätzung ist vom Wissenshorizont eines nicht rechtskundigen Menschen auszugehen, der sich mit den Grundzügen des Gesetzes auseinandergesetzt hat. Gelangt eine Hinweisgeberin oder ein Hinweisgeber aufgrund der nach § 10 zu erstellenden Informationen nachvollziehbar – wenn auch unzutreffend – zum Schluss, dass für einen ein Hinweis das HSchG anwendbar ist, ist die Sorgfalt bei der Einschätzung der Anwendbarkeit des HSchG gewahrt.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber einen Anspruch auf Befassung der internen und der externen Stellen nach dem zweiten und dritten Hauptstück und ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Hinweises einen Anspruch auf den spezifischen Rechtsschutz nach dem vierten Hauptstück des HSchG.

Dass ein Hinweis unter diesen Voraussetzungen einer nicht zuständigen Stelle gegeben wurde oder dass sich ein unter diesen Voraussetzungen gegebener Hinweis nach der Überprüfung durch eine interne oder externe Stelle als unrichtig oder nicht dem HSchG unterliegend erweist, kann diese Ansprüche der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers nicht beseitigen.

Abs. 3 normiert entsprechend Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie, dass der einer internen oder externen Stelle gegebene anonyme Hinweis, der aufgrund seiner Weiterleitung die Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers bekannt machte, die Ansprüche einer Hinweisgeberin oder eines Hinweisgebers nach dem HSchG begründet. Dies gilt selbst dann, wenn eine anonyme Hinweisgebung bei der internen Stelle nicht vorgesehen ist.

Der Entwurf bezweckt nicht nur den Hinweisgeberschutz bei Abgabe stichhaltiger Hinweise, sondern auch die Hintanhaltung von Hinweisen, die nicht auf Tatsachen beruhen oder die trotz Kenntnis ihrer Unrichtigkeit gegeben werden. Abs. 4 sieht daher ein Instrument der unmittelbaren Zurückweisung offenkundig unberechtigter Hinweise vor, auf die auch die Bestimmungen der §§ 12 Abs. 6 und 17 Abs. 4 über das Verfahren bei den internen und externen Stellen verweisen.

§ 5 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet

           1. „DSGVO“: Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, zuletzt berichtigt durch ABl. Nr. L 74 vom 04.03.2021 S. 35;

           2. „externe Stelle“: Organisation oder Organisationseinheit, die außerhalb jener Rechtsträger des privaten oder des öffentlichen Sektors eingerichtet ist, auf die sich ein Hinweis bezieht, die keine Stelle gemäß Z 9 ist und die diesen Hinweis entgegennimmt, überprüft sowie im Hinblick auf Folgemaßnahmen oder sonst weiter behandelt;

           3. „Folgemaßnahme“: ab der Abgabe und infolge eines Hinweises ergriffene Maßnahme einer internen oder externen Stelle, einer Organisationseinheit eines Unternehmens, einer Verwaltungsbehörde, eines Gerichts oder der Staatsanwaltschaft wie die Prüfung der Stichhaltigkeit des Hinweises, interne Nachforschungen, Ermittlungen, oder die Veranlassung, Einleitung, Durchführung oder Beendigung eines Verfahrens oder sonstige Maßnahme zum weiteren Vorgehen gegen den Verstoß, zur Strafverfolgung oder zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes;

           4. „Hinweis(gebung)“: Von einer Hinweisgeberin oder einem Hinweisgeber im Wege der Meldung oder Veröffentlichung bewirkte Weitergabe von Informationen, denen zufolge eine Rechtsverletzung erfolgte oder erfolgen wird;

           5. „Hinweisgeberin“ bzw. „Hinweisgeber“: eine der in § 2 Abs. 1, 2 und 4 aufgezählten Personen, die einer internen oder externen Stelle einen Hinweis gibt oder einen Hinweis veröffentlicht;

           6. „interne Stelle“: natürliche Person oder aus mehreren Personen zusammengesetzte Abteilung oder sonstige Organisationseinheit innerhalb eines Unternehmens oder einer juristischen Person des öffentlichen Sektors, die Hinweise entgegennimmt, überprüft sowie im Hinblick auf Folgemaßnahmen oder sonst weiter behandelt;

           7. „Juristische Person des öffentlichen Sektors“:

               a) juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Organisation bundesgesetzlich geregelt ist oder

               b) juristische Person des privaten Rechts, an der der Bund oder eine juristische Person gemäß lit. a allein oder gemeinsam mit anderen Gebietskörperschaften oder mit einer juristischen Person gemäß lit. a mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder die der Bund oder eine juristische Person gemäß lit. a allein oder gemeinsam mit anderen Gebietskörperschaften oder mit einer juristischen Person gemäß lit. a betreibt oder durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen tatsächlich beherrscht, jedenfalls aber jede in einem solchen Verhältnis zum Bund stehende juristische Person des privaten Rechts, deren Gebarung der Überprüfung durch den Rechnungshof unterliegt oder

                c) juristische Person, die vom Bund zum Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen und die überwiegend vom Bund oder einer anderen Einrichtung mit solchem Zweck finanziert wird oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dem Bund oder dieser Einrichtung untersteht oder ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan hat, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Bund oder einer anderen Einrichtung mit solchem Zweck ernannt worden ist oder

               d) Verband, der aus einer juristischen Person oder mehreren juristischen Personen gemäß lit. a, b oder c besteht;

           8. „klassifizierte Information“: Information, Material oder Nachricht im Sinne des § 3 Z 39 des Bundesvergabegesetzes Verteidigung und Sicherheit 2012, BGBl. I Nr. 10/2012 oder des § 2 der Informationssicherheitsverordnung, BGBl. II Nr. 548/2003 in der Fassung des BGBl. II Nr. 268/2022;

           9. „mit den Aufgaben der internen Stelle beauftragte Stelle“: im Sinne des § 13 Abs. 4 für Unternehmen oder juristische Personen des öffentlichen Sektors gemeinsam eingerichtete Stelle oder Dritte, die die Aufgaben der internen Stelle wahrnehmen;

        10. „Rechtsträger des öffentlichen Sektors“: Juristische Personen des öffentlichen Sektors im Sinne der Z 7 zuzüglich der Organisationseinheiten und jener natürlichen Personen, deren Handeln der juristischen Person des öffentlichen Sektors zuzurechnen ist;

        11. „Rechtsträger des privaten Sektors“: Unternehmen im Sinne der Z 14 zuzüglich sonstiger rechtsfähiger Personenvereinigungen und natürlicher Personen, die nicht eine der Merkmale der Z 10 erfüllen;

        12. „Rechtsverletzung“: Verstoß gegen eine der in § 3 Abs. 3 bis 5 genannten Rechtsvorschriften oder deren Ziel oder Zweck, erhebliche Missstände und Unregelmäßigkeiten in den in § 3 Abs. 3 bis 5 genannten Bereichen sowie darauf bezogene Verschleierungs- und versuchte Verschleierungshandlungen;

        13. „Richtlinie 2019/1937/EU“: Richtlinie 2019/1937/EU zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl. Nr. L 305 vom 26.11.2019 S. 17 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 2020/1503, ABl. Nr. L 347 vom 20.10.2020 S. 1, und der Verordnung (EU) Nr. 2022/1925, ABl. Nr. L 265 vom 12.10.2022 S. 1;

        14. „Unternehmen“: juristische Person des Privatrechts oder rechtsfähige Personengesellschaft, die nicht eine der Merkmale der Z 7 erfüllt;

        15. „Veröffentlichung“: Hinweisgebung durch öffentliches Zugänglichmachen eines Hinweises.

Erläuterungen des Ministrialentwurfs

Zu § 5 HSchG:

Zum Zweck einer wesentlichen Textverknappung und um den Zentralbegriffen der Richtlinie in den Umsetzungsvorschriften einen möglichst eindeutigen Inhalt zu geben, enthält der Entwurf in § 5 eine Reihe von Legaldefinitionen. Dabei handelt es sich zum Teil (z. B. bei den Begriffen „interne“ oder „externe Stelle“, „Unternehmen“, „juristische Person des öffentlichen Rechts“, „Rechtsträger“) um eigens für die speziellen Regelungszwecke des HSchG gewählte Festlegungen der Begrifflichkeit und ihrer Bedeutung.

Besonders zu erläutern wären folgende Begriffe:

Zu Z 6: Dem Begriff „juristische Person des öffentlichen Rechts“ entspricht in der Richtlinie der Begriff „juristische Person des öffentlichen Sektors“ (z. B. in Art. 8 Abs. 9 der Richtlinie). In Umsetzung der Richtlinie spielt der Bedeutungsumfang von „juristischer Person des öffentlichen Sektors“ vor allem eine Rolle hinsichtlich der Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldestellen (erster und zweiter Hauptstück des HSchG). Nach der Richtlinie ist die öffentliche Hand (Hoheitsverwaltung und näher zu bestimmende Privatwirtschaftsverwaltung) zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtet, dies jedoch nur hinsichtlich der Organisationseinheiten in Form juristischer Personen und, soweit gesetzlich so vorgesehen, nur wenn sich diese Organisationseinheiten aus mindestens 50 Bediensteten zusammensetzen.

Die Festlegung des Bedeutungsumfangs in Z 6 ist Ergebnis folgender Überlegungen: Das öffentliche Auftragswesen (Art. 2 Abs. 1 lit. a) sublit. i) der Richtlinie) ist ein wichtiger Teil des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie. Daher können zur Konkretisierung des unionsrechtlichen Begriffs „öffentlicher Sektor“ bzw. „juristische Person des öffentlichen Sektors“ explizitere Begriffsverwendungen im Zusammenhang der unionsrechtlichen Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe herangezogen werden. Art. 2 Abs. 1 Z 1 und 4 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe ist insofern einschlägig, als der Begriff „öffentlicher Auftraggeber“ und, diese einschließend, „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ definiert werden. Diese Definitionen übernimmt § 4 Abs. 1 des Bundesvergabegesetzes 2018, sodass innerstaatlich bereits eine vergleichbare und geeignete Grundlage für die Definition des öffentlichen Sektors im Sinne der Richtlinie gegeben ist.

Die vorgeschlagene Definition der „juristischen Person des öffentlichen Rechts“ im HSchG beruht daher auf § 4 Abs. 1 des Bundesvergabegesetzes 2018 und umfasst Rechtsträger der Hoheits- und der Privatwirtschaftsverwaltung im Umfang dieser Bestimmung, soweit sie juristische Personen sind.

Zu Z 9 und 10: Die Verwendung der Begriffe „Rechtsträger des öffentlichen Rechts“ und „Rechtsträger des Privatrechts“ dient einer begrifflichen Zusammenfassung jener in der Richtlinie geregelten Sachverhalte, in denen ein Kreis natürlicher oder juristischer Personen von der Hinweisgebung betroffen ist, der nach der Richtlinie weiter sein kann als der zur Einrichtung interner Meldestellen Verpflichteten: Der Entwurf geht der hM (z. B. der in der EU-Expertengruppe zur Umsetzung der Richtlinie von der Kommission und den Mitgliedstaaten vertretenen Standpunkte) entsprechend davon aus, dass die Richtlinie für die Mitgliedstaaten verpflichtend interne Meldestellen nur für den öffentlichen und privaten Sektor in der Form juristischer Personen vorsieht und nur dann, wenn die jeweilige Organisationseinheit mindestens 50 Beschäftigte aufweist.

Die Begriffe „Rechtsträger des öffentlichen Rechts“ und „Rechtsträger des Privatrechts“ haben daher den in Z 9 und 10 definierten weiteren Umfang als die Begriffe „juristische Person des öffentlichen Rechts“ in Z 6 (für den „öffentlichen Sektor“) und „Unternehmen“ in Z 13 (für den „privaten Sektor“) und sind im Regelungszusammenhang des persönlichen Geltungsbereichs und der Einrichtung und des Verfahrens der externen Stellen erforderlich.

Zur Abgrenzung des „privaten Sektors“ vom „öffentlicher Sektor“ s. zu Z 13.

Zu Z 11: Der Begriff „Rechtsverletzung“ steht anstelle des in der Richtlinie verwendeten Begriffs „Verstoß“, umfasst aber wie dieser im Sinne des Art. 5 Z 1 lit. ii) der Richtlinie auch Zuwiderhandlungen gegen das Ziel oder den Zweck einer Rechtsvorschrift. Entsprechend dem in Z 3 definierten Begriff „Hinweis“ bzw. „Hinweisgebung“ kann der Hinweis auch in der Behauptung einer erst bevorstehenden Rechtsverletzung oder der Verschleierung einer Rechtsverletzung bestehen.

Zu Z 13: Wie der Begriff „juristische Person des öffentlichen Rechts“ für den öffentlichen Sektor umfasst der Begriff „Unternehmen“ für den privaten Sektor jene Organisationseinheiten in Form juristischer Personen, die ab einer Größe von 50 Beschäftigten zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtet sind. Dabei ist die Definition des „privaten Sektors“ und des „Rechtsträgers des Privatrechts“ wie die des „Unternehmens“ (als Teilmenge des „Rechtsträgers des Privatrechts“) negativ, in Abgrenzung von dem begriffsinhaltlich positiv in Z 6 definierten öffentlichen Sektor festgelegt: Alle Organisationseinheiten in Form juristischer Personen, die nicht juristische Personen oder sonstige Rechtsträger des öffentlichen Rechts sind, sind „Unternehmen“.

Unter den Begriff „Unternehmen“ fallen iSd Entwurfs daher nicht nur gewinnorientiert, gewerblich, wirtschaftlich etc. tätige Unternehmen iSd § 1 Abs. 2 Unternehmensgesetzbuch, sondern auch juristische Personen wie Vereine und gemeinnützige Organisationen.

§ 4 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften, zu bestehenden Hinweisgebersystemen und vertraglichen Vereinbarungen

(1) Dieses Bundesgesetz gilt im Verhältnis zu den im Teil II des Anhangs zur Richtlinie 2019/1937/EU aufgeführten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Union und den in Z 1 bis 18 genannten Bundesgesetzen für eine Angelegenheit nur insoweit, als die Angelegenheit durch diese Rechtsakte der Union nicht verbindlich geregelt ist oder durch diese Bundesgesetze nicht geregelt ist:

           1. Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz, BGBl. I Nr. 83/2016

           2. Bankwesengesetz, BGBl. Nr. 532/1993

           3. Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 191/2013

           4. Börsegesetz 2018, BGBl. I Nr. 107/2017

           5. Bundeskriminalamt-Gesetz, BGBl. I Nr. 22/2002

           6. Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. Nr. 474/1990

           7. Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, BGBl. I Nr. 118/2016

           8. Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994

           9. Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011

        10. Kapitalmarktgesetz 2019, BGBl. I Nr. 62/2019

        11. Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871

        12. Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868

        13. PRIIP‑Vollzugsgesetz, BGBl. I Nr. 15/2018

        14. SFT‑Vollzugsgesetz, BGBl. I Nr. 73/2016

        15. Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015, soweit dieses die Richtlinie 2016/97/EU umsetzt

        16. Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 107/2017

        17. Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 137/2017

        18. Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz, BGBl. I Nr. 69/2015.

(2) Andere als die in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften zum Verfahren und zum Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen bleiben durch dieses Bundesgesetz insoweit unberührt, als die in ihnen enthaltenen Bestimmungen

           1. für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber günstiger sind, wie insbesondere zur Möglichkeit anonymer Hinweise und Wahrung der Anonymität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern,

           2. über den persönlichen oder sachlichen Geltungsbereich der §§ 2 und 3 hinausgehen oder

           3. das interne oder externe Hinweisgebersystem, die Betrauung einer bestimmten Stelle mit der Entgegennahme oder Weiterverfolgung von Hinweisen, Folgemaßnahmen oder die sonstige Behandlung von Hinweisen spezifischer regeln, ohne dabei von den Mindestanforderungen dieses Bundesgesetzes abzuweichen.

(3) Bereits eingerichtete oder künftige Hinweisgebersysteme werden durch dieses Bundesgesetz insoweit nicht berührt, als sie eine der Voraussetzungen des Abs. 1 oder 2 erfüllen.

(4) Vertragliche Vereinbarungen oder einseitige Anordnungen sind, insoweit sie von den Vorschriften dieses Bundesgesetzes abweichen, ohne eine der Voraussetzungen des Abs. 1 bis 3 zu erfüllen, rechtsunwirksam.

Erläuterungen des Ministerialentwurfs

Zu § 4 HSchG:

Vor allem größere Unternehmen und österreichische Tochterunternehmen internationaler Konzerne haben schon seit einigen Jahren aus eigenem Antrieb Whistleblowersysteme implementiert. Auf gesetzlicher und Verordnungsbasis verpflichtet geregelt ist die Ermöglichung der Hinweisgebung bereits in einer Reihe von Bundesgesetzen und Verordnungen für ausgewählte Wirtschaftssektoren. Diese Bundesgesetze und Verordnungen setzen Unionsrechtsakte um, die vor allem zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erlassen wurden.

Aufgabe des Entwurfes ist es daher, das Verhältnis des in Umsetzung der Richtlinie horizontal angelegten HSchG zu den bereits faktisch bestehenden bzw. aufgrund besonderer Vorschriften vorgesehenen Hinweisgebersystemen klarzustellen. Der Entwurf geht vom Grundsatz aus, dass die schon bewährten Hinweisgebersysteme unverändert fortgeführt werden sollen, soweit sie mit der Richtlinie vereinbar sind.

Die Richtlinie selbst regelt in Art. 3 Abs. 1 das Verhältnis zu jenen Unionsrechtsakten mit spezifischem Bezug zu Hinweisgebersystemen, die im Teil II des Anhangs zur Richtlinie aufgelistet sind. Davon müssen die unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsakte und die Unionsrechtsakte umsetzenden Bundesgesetze Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend insoweit abweichend vom Gesetz gelten, als eine Materie mit Bezug zur Hinweisgebung durch einen unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsakt verbindlich geregelt ist oder durch die spezifischen Bundesgesetze geregelt ist. Die entsprechenden Bundesgesetze sind in Abs. 1 aufgezählt.

Daraus ergibt sich, dass der sachliche Geltungsbereich des HSchG auch nach Maßgabe der unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsakte im Teil II des Anhangs zur Richtlinie und der in Abs. 1 aufgezählten Bundesgesetze eingeschränkt ist.

Abs. 2 regelt das Verhältnis zu anderen, nicht in Abs. 1 erwähnten, auch künftigen Rechtsvorschriften, die Bestimmungen zur Hinweisgebung enthalten. Für diesen Zusammenhang in Frage kommen derzeit z. B. § 2a Abs. 6 Staatsanwaltschaftsgesetz iVm § 20a Abs. 1 Strafprozessordnung über das internetbasierte Hinweisgebersystem der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption und die Bestimmungen des § 31c Abs. 5 Glücksspielgesetz und der darauf zu erlassenden Verordnung. Das Verhältnis zu diesen Vorschriften wird im Sinn eines Günstigkeitsprinzips und des Vorrangs der spezifischeren Regelung festgelegt.

Abs. 3 bezieht das Günstigkeitsprinzip und den Vorrang der spezifischeren Ausgestaltung auch auf das Verhältnis zu tatsächlich bestehenden oder künftig eingerichteten Hinweisgebersystemen.

Abs. 4 sieht in Umsetzung des Art. 24 der Richtlinie vor, dass im Rahmen vertraglicher Beziehungen die Bestimmungen des HSchG als zwingendes Recht anzusehen und nicht entgegen den Grundsätzen der Günstigkeit oder des Vorrangs der speziellen Regelung oder Ausgestaltung abdingbar sind.

§ 3 Sachlicher Geltungsbereich

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für die in den Abs. 3 bis 5 genannten Bereiche für Hinweise auf Rechtsverletzungen in Unternehmen und in juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit jeweils 50 oder mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Bediensteten.

(2) Ohne Rücksicht auf die im Abs. 1 genannte Anzahl der Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Bediensteten, jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 bis 3, gilt dieses Bundesgesetz im Bereich der Vorschriften, die in den Teilen I.B und II des Anhangs zur Richtlinie 2019/1937/EU aufgezählt sind.

(3) Von dem im Abs. 2 genannten Bereich abgesehen gilt dieses Bundesgesetz für die Hinweisgebung zur Verletzung von Vorschriften in einem der folgenden Bereiche:

           1. Öffentliches Auftragswesen,

           2. Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,

           3. Produktsicherheit und -konformität,

           4. Verkehrssicherheit,

           5. Umweltschutz,

           6. Strahlenschutz und nukleare Sicherheit,

           7. Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,

           8. öffentliche Gesundheit,

           9. Verbraucherschutz,

        10. Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,

        11. Verhinderung und Ahndung von Straftaten nach den §§ 302 bis 309 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974.

(4) Dieses Bundesgesetz gilt auch für Rechtsverletzungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne von Art. 325 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie gemäß besonderen Definitionen in einschlägigen Unionsmaßnahmen.

(5) Dieses Bundesgesetz gilt auch für Verletzungen von Binnenmarktvorschriften im Sinne von Art. 26 Abs. 2 AEUV, sowie für Verletzungen von Unionsvorschriften über Wettbewerb und staatliche Beihilfen und Verletzungen von Binnenmarktvorschriften in Bezug auf Handlungen, die die Körperschaftsteuervorschriften verletzen oder in Bezug auf Vereinbarungen, die darauf abzielen, sich einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen, der dem Ziel oder dem Zweck des Körperschaftsteuerrechts zuwiderläuft.

(6) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für

           1. die Verschwiegenheitspflichten der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe;

           2. Informationen, die vom Recht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare sowie der Wirtschaftstreuhandberufe Ausübenden auf Verschwiegenheit umfasst sind (§ 9 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, § 37 der Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871, § 80 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017, BGBl. I Nr. 137/2017), einschließlich vertraglicher Vereinbarungen, die zur Wahrung der Verschwiegenheit mit Gesellschaftern oder Gesellschafterinnen oder Aufsichtsorganen einer Rechtsanwalts-Gesellschaft sowie Beschäftigten oder Hilfspersonen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare oder der Wirtschaftstreuhänderinnen und –treuhänder getroffen wurden;

           3. Vergabeverfahren, die von folgenden Bundesgesetzen über die Vergabe ausgenommen sind:

               a) Vergabeverfahren, die vom Bundesvergabegesetz 2018, BGBl. I Nr. 65/2018, gemäß dessen § 9 Abs. 1 Z 3, 4 und 5 sowie § 178 Abs. 1 Z 3, 4 und 5 ausgenommen sind,

               b) Vergabeverfahren, die vom Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018, BGBl. I Nr. 65/2018, gemäß dessen § 8 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 ausgenommen sind,

                c) Vergabeverfahren, die vom Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012, BGBl. I Nr. 10/2012, gemäß dessen § 9 Abs. 1 Z 1 und 5 ausgenommen sind;

           4. die Anwendung der Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, ab Vorliegen eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs. 3 StPO);

           5. Informationen, die einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft oder einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft in einem Seelsorgegespräch anvertraut wurden.

Erläuterungen des Ministerialentwurfs

Zu § 3 HSchG:

Der sachliche Anwendungsbereich hat sich nach der Richtlinie jedenfalls auf Folgendes zu erstrecken:

           1. auf den in der Richtlinie so genannten und nicht näher definierten öffentlichen Sektor sowie auf den in der Richtlinie so genannten und näher eingegrenzten privaten Sektor und

           2. auf Hinweisgebung zu Rechtsbereichen, die in Art. 2 Abs. 1 lit. a) bis c) der Richtlinie allgemein benannt und durch den Verweis des Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie auf die im Anhang der Richtlinie aufgelisteten Rechtsakte der Union konkretisiert sind.

Die Erstreckung der Umsetzungsvorschriften sowohl auf den öffentlichen wie den privaten Sektor wird im Entwurf erreicht durch die Definitionen der Begriffe „juristische Person des öffentlichen Rechts“ und „Unternehmen“ (§ 5 Z 6 und Z 13) sowie „Rechtsträger des öffentlichen Rechts“ (§ 5 Z 9) und „Rechtsträger des Privatrechts“ (§ 5 Z 10) in Verbindung mit den Bestimmungen, die den solcherart definierten öffentlichen bzw. privaten Sektor zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichten und das Verfahren bei internen und externen Meldestellen regeln.

Auf der Basis dieser Definitionen spiegelt Abs. 1 die Vorgaben der Richtlinienbestimmungen dazu wider, wer im öffentlichen bzw. privaten Sektor zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtet ist (Art. 8 Abs. 3 und 9 der Richtlinie) und auf welche Einheiten des öffentlichen bzw. privaten Sektors sich Hinweisgebung mit Anspruch auf den spezifischen Rechtsschutz des vierten Hauptstücks beziehen kann (Kapitel III der Richtlinie).

Demnach sind zur Einrichtung interner Meldestellen Organisationen in Form juristischer Personen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, und zwar:

–       bundesgesetzlich geregelte juristische Personen des öffentlichen Rechts, juristische Personen des privaten Rechts, deren Anteile ganz oder teilweise im Eigentum des Bundes stehen und vom Bund im Allgemeininteresse gegründete juristische Personen mit jeweils 50 oder mehr Bediensteten und

–       sonstige juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften mit jeweils 50 oder mehr Bediensteten.

§ 3 Abs. 2 trägt den Bestimmungen des Art. 8 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Rechnung. § 3 Abs. 2 steht dem entsprechend mit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 in Zusammenhang, auf welche § 3 Abs. 2 verweist.

Der Problemzusammenhang ist folgender:

Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie bestimmt, dass der Schwellenwert von 50 Beschäftigten nicht für juristische Personen gelten soll, die unter die im Anhang in den Teilen I.B und II genannten Unionsrechtsakte fallen. Die Teile I.B und II des Anhangs umfassen auf Unionsebene bestehende Regelungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie Sicherheit in der Zivilluftfahrt, Schifffahrt und Sicherheit von Offshore-Erdöl und –Erdgasaktivitäten.

Für diese Bereiche sieht Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass, falls sektorspezifische EU-Rechtsakte die Meldung von Verstößen spezifisch regeln, diese sektorspezifischen Regeln als solche gelten und die Richtlinie nicht anzuwenden ist. Nur insoweit eine Angelegenheit des Hinweisgeberschutzes in diesen Bereichen nicht oder nicht verbindlich durch sektorspezifische EU-Rechtsakte geregelt ist, sind die Richtlinienbestimmungen anzuwenden.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist in § 4 Abs. 1 umgesetzt.

Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie enthält in ihrem Regelungszusammenhang die Bedeutung, dass der Schwellenwert von 50 Beschäftigten der Richtlinie auch dann nicht gilt, wenn ein Schwellenwert in einem sektorspezifischen Rechtsakt nicht oder nicht verbindlich vorgesehen ist. Wer zur Einrichtung eines sektorspezifischen Meldesystems verpflichtet ist, für das der sektorspezifische Rechtsakt keine Mindestpersonenzahl festlegt, kann sich nicht auf den höheren Schwellenwert von 50 Beschäftigten der Richtlinie berufen.

Aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie ist hingegen nicht abzuleiten, dass Klein- oder Kleinstunternehmen (mit weniger als 50 Beschäftigten), die zur Einrichtung eines sektorspezifischen Meldesystems verpflichtet sind, dieses den Anforderungen der Richtlinie anzupassen und auch die sonstigen Vorgaben der Richtlinie einzuhalten hätten.

Aus § 3 Abs. 2 resultiert daher in Zusammenhalt mit § 4 Abs. 1, dass in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie Sicherheit in der Zivilluftfahrt, Schifffahrt und Sicherheit von Offshore-Erdöl und –Erdgasaktivitäten

–       der Schwellenwert von 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Bediensteten für die Einrichtung interner Meldestellen nicht gilt, wenn die spezifischeren Bestimmungen des Unionsrechts oder die in § 4 Abs. 1 genannten Bundesgesetze zu einem Hinweisgeberschutz einschließlich eines internen Meldesystems unabhängig von einem solchen Schwellenwert verpflichten und

–       auch unterhalb des Schwellenwerts von 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Bediensteten die Bestimmungen des 2. Hauptstücks über interne Hinweise nicht gelten, wenn Unionsrechtsakte oder die in § 4 Abs. 1 genannten Bundesgesetze die interne Hinweisgebung spezifischer regeln.

§ 3 Abs. 3 regelt den grundsätzlichen sachlichen Geltungsbereich des HSchG.

Das Bestreben, den eingangs unter 2. skizzierten sachlichen Anwendungsbereich im Rahmen der Mindestvorgaben der Richtlinie beschränkt zu halten, steht zunächst vor folgendem Problem: Wenn auch die Rechtsgebiete des sachlichen Anwendungsbereichs in Art. 2 Abs. 1 lit. a) bis c) der Richtlinie allgemein benannt sind, ist der verpflichtend umzusetzende sachliche Mindestanwendungsbereich nur durch die Gesamtheit der in die Hunderte gehenden Richtlinien definiert, die im Anhang der Richtlinie aufgelistet sind. Die Gesamtheit der aufgelisteten Richtlinien ergibt nämlich möglicherweise einen kleineren Anwendungsbereich als aus der Umgrenzung durch die allgemein benannten Rechtsgebiete. Daher scheint zunächst eine Definition des sachlichen Geltungsbereichs durch Aufzählung aller jener österreichischen Vorschriften, die die Richtlinien des Anhangs umsetzen, unumgänglich zu sein. Eine solche Aufzählung wäre jedoch weder machbar noch zielführend. Allein die im Anhang angeführten Richtlinien zählen an die 200 und sind – wie das Beispiel der im Anhang angeführten Verordnung 2019/1020/EU über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten zeigt – um weitere Hunderte, in diesen Richtlinien zusätzlich angeführte Richtlinien zu erweitern. Nachdem die wenigsten Richtlinien nur in einem einzigen Bundesgesetz umgesetzt sind, würde die Aufzählung der den sachlichen Geltungsbereich ergebenden Bundesgesetze aus vielen Hunderten bestehen. Aber selbst durch eine solche Aufzählung wäre nicht gewährleistet, dass der Mindestanwendungsbereich der Richtlinie abgedeckt ist, weil es denkbar ist, dass einzelne der im Anhang aufgelisteten Richtlinien nicht umgesetzt sind.

Zur Lösung dieses Problems übernimmt § 3 Abs. 3 die allgemeine Benennung der Rechtsgebiete und macht sie zum maßgeblichen sachlichen Geltungsbereich. Für diese Lösung spricht auch, dass nachfolgende Änderungen und Erweiterungen des Anhangs der Richtlinie durch bzw. um neue Rechtsakte auf EU-Ebene (wie zuletzt durch die Verordnung (EU) 2020/1503 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937) von den allgemein benannten Rechtsgebieten bereits umfasst sein können. Damit erübrigt sich eine jeweilige nachfolgende Anpassung des Bundesgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie.

Abs. 4 und 5 erweitern den grundsätzlichen sachlichen Geltungsbereich des Abs. 2 um die in Art. 2 Abs. 1 lit. b) und c) der Richtlinie genannten Tatbestände.

Zu den Rechtsverletzungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zählen Straftaten wie der ausgabenseitige Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union nach § 168f StGB (Art. 3 Abs. 2 lit. a und b der Richtlinie 2017/1371 (PIF-Richtlinie)), die missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union nach § 168g StGB (Art. 4 Abs. 3 PIF-Richtlinie), die Bestechlichkeit nach § 304 StGB, die Vorteilsannahme nach § 305 StGB, die Bestechung nach § 307 StGB und die Vorteilszuwendung nach § 307a StGB (alle jeweils Art. 4 Abs. 2 PIF-Richtlinie). In Bezug auf den einnahmenseitigen Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union kommen der Schmuggel nach § 35 Abs. 1 FinStrG, die Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 2 und 3 FinStrG, die Abgabenhehlerei gemäß § 37 Abs. 1 FinStrG sowie die Qualifikationen nach § 38a FinStrG (Strafe bei Begehung als Mitglied einer Bande oder unter Gewaltanwendung) und § 39 FinStrG (Abgabenbetrug; Art. 3 Abs. 2 lit. c PIF-Richtlinie) und der grenzüberschreitende Umsatzsteuerbetrug nach § 40 FinStrG (Art. 3 Abs. 2 lit. d PIF-Richtlinie) in Betracht; letztlich auch die Geldwäscherei nach § 165 StGB (Art. 4 Abs. 1 PIF-Richtlinie). Darüber hinaus kommen auch der Betrug nach §§ 146 ff StGB und der Förderungsmissbrauch nach § 153b StGB in Betracht, soweit dadurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt wurden oder hätten werden können, sowie die missbräuchliche Vergabe von Mitteln und Vermögenswerten (§§ 153, 302 StGB) und wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b StGB), wenn sie zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union sind.

Der Begriff „Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union“ des Art. 2 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie ist jedoch weiter als bloß strafrechtlich relevantes Verhalten; er umfasst auch die „Unregelmäßigkeiten“, also Verhalten, das verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist oder Anlass für zivilrechtliche Rückforderungsansprüche gibt, sowie Umgehungs- und Scheingeschäfte.

Vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden können die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie benannten Bereiche wie Angelegenheiten, die wesentliche Sicherheitsinteressen berühren, Verschlusssachen, anwaltliche und ärztliche Verschwiegenheitspflichten, das richterliche Beratungsgeheimnis und das Strafprozessrecht. Dem entsprechend sieht Abs. 6 vor, dass das HSchG die Verschwiegenheitspflichten der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe, der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare sowie der Wirtschaftstreuhandberufe Ausübenden und die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die wesentliche Sicherheitsinteressen betreffen, und die Anwendung der Strafprozeßordnung 1975 unberührt lässt.

Verschlusssachen werden im Entwurf nicht schlechthin von den Regelungen zur Hinweisgebung ausgenommen, sondern der Entwurf macht die Rechtmäßigkeit einer auf Verschlusssachen bezogenen Hinweisgebung von der Einhaltung der für klassifizierte Informationen geltenden Standards abhängig. Wenn im Hinweis eine Information, Material oder eine Nachricht, die oder das entsprechend § 3 Z 39 des Bundesvergabegesetzes Verteidigung und Sicherheit 2012 oder § 2 der Informationssicherheitsverordnung besonders zu schützen sind, verwendet wird, muss er den objektiven und subjektiven Anforderungen des § 6 Abs. 2 im Entwurf gerecht werden, um rechtmäßig zu sein.

Wegen ihrer zum Teil von den Zwecken des HSchG verschiedenen Zielrichtung bleiben gem. Abs. 6 die in einzelnen Bundesgesetzen enthaltenen dienstrechtlichen Verpflichtungen zur Meldung und Anzeige ebenfalls unberührt.

Eine Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs resultiert zudem aus der Bestimmung des § 4 Abs. 1 (s.dazu sogleich).

§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Personen (Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber), die aufgrund laufender oder früherer beruflicher Verbindung zu einem Rechtsträger des privaten (§ 5 Z 11) oder des öffentlichen Sektors (§ 5 Z 10) Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben

           1. als Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Bedienstete des Rechtsträgers oder als an den Rechtsträger überlassene Arbeitskräfte oder

           2. als Bewerberinnen oder –bewerber um eine Stelle, als Praktikantinnen oder Praktikanten, Volontärinnen oder Volontäre beim Rechtsträger oder als sonstige beim Rechtsträger Auszubildende oder

           3. als selbständig erwerbstätige Personen oder

           4. als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Rechtsträgers oder

           5. indem sie unter der Aufsicht und Leitung eines Auftragnehmers, einer Auftragnehmerin, eines Subunternehmers oder einer Subunternehmerin des Rechtsträgers oder dessen Lieferantinnen oder Lieferanten arbeiten oder arbeiteten.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt auch für Anteilseignerinnen und Anteilseigner von Rechtsträgern, die aufgrund laufender oder früherer beruflicher Verbindung zu diesem Rechtsträger Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben.

(3) Die Vorschriften des 4. und 5. Hauptstücks gelten auch

           1. für natürliche Personen, die Hinweisgeberinnen oder –geber bei der Hinweisgebung unterstützen,

           2. für natürliche Personen im Umkreis der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers, die, ohne die Hinweisgebung zu unterstützen, von nachteiligen Folgen der Hinweisgebung wie Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein können, sowie

           3. für juristische Personen zur Gänze oder teilweise im Eigentum der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers oder für die die Hinweisgeberin oder der Hinweisgeber arbeitet oder mit denen sie oder er in einem beruflichen Zusammenhang anderweitig in Verbindung steht.

(4) Dieses Bundesgesetz gilt für die in den Abs. 1 und 2, die Vorschriften des 4. und 5. Hauptstückes gelten für die in Abs. 3 aufgezählten Personen auch dann, wenn der Hinweisgebung eine laufende oder frühere berufliche Verbindung zu einer anderen Gebietskörperschaft als dem Bund oder zu einem sonstigen landesgesetzlich eingerichteten Rechtsträger des öffentlichen Sektors zugrunde liegt und der Hinweis eine Rechtsverletzung im Sinne des § 5 Z 12 zum Gegenstand hat.

Erläuterungen des Ministerialentwurfs

Zu § 2 HSchG:

In enger Anlehnung an Art. 4 der Richtlinie definiert § 2 insgesamt den Kreis jener Personen, die entweder im Zusammenhang mit einem von ihnen gegebenen Hinweis oder weil sie einem bestimmten Umkreis zur Hinweisgebung angehören, Anspruch auf den Schutz nach dem HSchG haben.

Im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieses Schutzes bestimmen die Abs. 1 und 2, welchen Personen sowohl die institutionellen Zugänge für die Hinweisgebung (interne und externe Meldestellen) offenstehen als auch der vollständige spezifische Rechtsschutz nach dem vierten Hauptstück (Haftungsbefreiung, Beweislastverteilung, Befreiung von Geheimhaltungsverpflichtungen, Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen) zugutekommen soll.

Bei der Festlegung des Kreises dieser Personen knüpft der Entwurf wie Art. 4 Absatz 1 der Richtlinie an den beruflichen Kontext an: Wer im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und diese durch einen Hinweis aufdeckt, soll zum Kreis geschützter Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber gehören, weil als Folge des Hinweises wirtschaftliche Nachteile für die berufliche Tätigkeit zu befürchten sind. Wirtschaftliche Nachteile sind vor allem dann zu befürchten, wenn eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit zur Person besteht, auf die sich der Hinweis bezieht. Eine solche wirtschaftliche Abhängigkeit besteht in erster Linie aus einem bestehenden oder angestrebten Arbeitsverhältnis heraus. Aber auch selbständige Geschäftspartner und –partnerinnen einer von einem Hinweis betroffenen Person können sich zur Unterlassung eines Hinweises genötigt sehen, da sie durch die notwendige Verletzung der Vertraulichkeits- und Loyalitätspflicht ihre Geschäftsbeziehung verlieren und wirtschaftliche Nachteile bis zum Geschäftsboykott erleiden können. Die berufliche Verbindung ist es, die selbst bei Anteilseignerinnen und -eignern und Mitglieder in Leitungsgremien eines Rechtsträgers die Befürchtung von Vergeltungsmaßnahmen, finanziellen Einbußen, Einschüchterung oder Mobbing, Eintragung in „schwarze Listen“ oder Rufschädigung substanzieller macht.

Vom Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs. 1 Z1 sind arbeitnehmerähnliche Personen und freie Dienstnehmerinnen und –nehmer nicht umfasst, diese fallen jedoch wie sonstige quasi-selbständige und außerhalb eines Arbeitsverhältnisses stehende Personen in beruflicher Nähe zum Rechtsträger unter die Z 3 des § 2 Abs. 1  („selbständig erwerbstätige Personen“).

Der für den Personenkreis des § 2 Abs. 1 und 2 gewählte Begriff der „beruflichen Verbindung“ darf jedoch nicht zu sehr eingeengt werden, insbesondere nicht auf das Erfordernis einer Vertragsbeziehung zwischen der Hinweisgeberin oder dem Hinweisgeber auf der einen Seite und der vom Hinweis betroffenen Person auf der anderen Seite. Die Richtlinie lässt in diesem Zusammenhang als Eingrenzung des persönlichen Mindestanwendungsbereichs lediglich zu, dass die Information über eine Rechtsverletzung im beruflichen Zusammenhang erlangt wurde, nicht dass eine direkte vertragliche Verbindung zwischen der hinweisgebenden und der vom Hinweis betroffenen Person vorauszusetzen ist.

Der Voraussetzung einer beruflichen Verbindung entspricht für den Regelsachverhalt, dass der Hinweis die Qualität eines Insiderwissens aufweist, das nur über die berufliche Tätigkeit zu erlangen ist. Die Einschränkung des persönlichen Geltungsbereichs in den Abs. 1 und 2 auf Personen in beruflicher Verbindung führt dazu, dass unbeteiligte Dritte, außenstehende Beschwerdeführerinnen und –führer nicht dem Schutz des HSchG für Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen unterliegen.

Abs. 3 definiert jene natürlichen und juristischen Personen im Umfeld einer Hinweisgeberin oder eines Hinweisgebers, die, ohne selbst einen Hinweis nach dem HSchG gegeben zu haben, besonders als Opfer indirekter Vergeltungsmaßnahmen in Betracht kommen. Sie sollen dem Entwurf nach den Bestimmungen des vierten Hauptstücks unterliegen. Eine berufliche Verbindung zur Person, auf die sich der Hinweis bezieht, wird für den Personenkreis des Abs. 3 nicht vorausgesetzt. Zu diesem Personenkreis sind neben den die Hinweisgebung, soweit sie unter das HSchG fällt, aktiv unterstützenden Personen vor allem Arbeitskolleginnen und –kollegen, Verwandte der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers sowie juristische Personen im Eigentum der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers zu zählen.

§ 1 Zweck

(1) Zweck dieses Bundesgesetzes ist es, in Lebensbereichen von besonderem öffentlichen Interesse die Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten zu bestärken, indem Hinweisen auf Rechtsverletzungen einfache Verfahren mit vorhersehbaren Abläufen zur Verfügung stehen. Dabei sind Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und Personen in ihrem Umkreis vor persönlichen Nachteilen zu schützen und unbegründete oder ungerechtfertigte Verdächtigungen zu verhindern.

(2) Zu diesem Zweck regelt dieses Bundesgesetz die Mindestanforderungen an das Verfahren und den Schutz bestimmter Personen (§ 2) bei Hinweisen (§ 5 Z 4) auf Rechtsverletzungen (§ 5 Z 12) im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Rechtsträgers des privaten (§ 5 Z 11) oder des öffentlichen Sektors (§ 5 Z 10).

Erläuterungen des Ministerialentwurfs

Zu § 1 HSchG:

Zu Beginn des HSchG soll ausdrücklich seine Zielrichtung festgehalten und auf die wesentlichen Gesetzesstellen zur Definition der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen aufmerksam gemacht werden. Die Bestimmung ermöglicht damit einen ersten vereinfachten Zugang zur Reichweite und zum Schutzumfang des HSchG.

Zweitens kann die Bestimmung des § 1 eine Grundlage abgeben für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung für die Zwecke des HSchG im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. a) der Datenschutz-Grundverordnung.

Über die weiteren Bestimmungen des HSchG hinausgehende Ansprüche und Verpflichtungen sind aus § 1 nicht ableitbar.